Bericht der Volksanwaltschaft

Unmenschliche Eindrücke aus dem Erstaufnahmezentrum Traiskirchen, 5. August 2015

Sie schlafen in Gängen oder unter Planen und im Freien. Und unter jenen Menschen, die nicht einmal ein Dach über dem Kopf haben, sind auffallend viele Frauen und kleine Kinder. Die zur Betreuung für 1.800 Asylwerbende zugelassene EAST Traiskirchen ist dramatisch überfüllt und die Bedingungen für die Flüchtlinge und das überforderte Betreuungspersonal untragbar.

Die Kommission der Volksanwaltschaft führte im Zuge des Besuchs viele Gespräche mit Asylwerberinnen und Asylwerbern sowie dem Personal vor Ort. Folgende Einzelschicksale zeigen die dramatische Lage exemplarisch auf und verdeutlichen insbesondere die unmenschlichen Bedingungen für UMF bzw. Flüchtlingskinder:
A.M. ist 16 Jahre alt und alleine im Lager. Schuhe und Decken habe er von anderen bekommen, die die EAST Traiskirchen verlassen durften. Wohin er sich wenden könnte, um auch Hilfe zu bekommen, weiß er nicht.

H. H. ist 20 Jahre alt und schläft mit seinem 6-jährigen Bruder im Freien. Wenn es regnet, ist es am Abend kalt; die Kleidung ist dreckig und feucht. Ein notdürftig selbstgebasteltes Zelt musste wieder abgebaut werden. „Sauberkeit gibt es nicht. Alle Sanitäranlagen sind dreckig“ beklagt er sich. Informationen wie lange er und sein Bruder hier bleiben müssen, hat er nicht. Sein Wunsch: „Wir wollen eine menschenwürdige Unterkunft. Selbst Frauen, Babys und kleine Kinder seien im Freien völlig ohne Schutz vor Hitze, Kälte und den Gelsen.“

D. M., ein 16-jähriger Afghane, fiel der Kommission ins Auge. Er wirkt abgemagert und hat einen Schlauch am rechten Bein befestigt. Vor zwei Wochen wurde er an den Nieren operiert, zur Harnableitung wurde ihm eine Drainage angelegt. Der Verband am Rücken ist schmutzig und wurde erst einmal gewechselt. Ihm wurde gesagt, er möge selbst ins Krankenhaus fahren, um die Drainage entfernen zu lassen. Dazu fehlt ihm allerdings das Geld, außerdem weiß er nicht, wo das Krankenhaus ist.

Eine Gruppe UMF zeigt der Kommission die Duschräume im Haus 9 des EAST. Überall am Boden ist es nass und sehr schmutzig. Die Tür zu dem Gemeinschaftsduschen ist nicht versperrbar. Männer und Frauen müssen dieselben Duschen benutzen, eine räumliche Trennung oder auch nur Sichtschutz durch Duschvorhänge vor den Kabinen besteht nicht. Für Mädchen und Frauen ist es unangenehm, bei der Körperpflege so ungeschützt sein zu müssen; einige verzichten deshalb auf Duschen.

S. I. ist 15 Jahre alt und stammt aus Syrien. Er ist bereits 45 Tage in der EAST Traiskirchen. Er lebt mit zehn Personen in einem 15m² großem Raum. Er bedauert, dass es keine Kühlschränke gibt und man das selbst gekauft Essen nicht aufbewahren kann. „Alles wird schnell kaputt“.

Ein irakisches Brüderpaar, 16 und 21 Jahre alt, benennt interkulturelle Spannungen als ständige Bedrohung. Insbesondere Flüchtlinge aus Somalia, dem Irak oder Syrien würden vermehrt im Freien schlafen und würden von anderen Burschen drangsaliert. Auch zu Übergriffen und Polizeieinsätzen sei es bereits gekommen. Ihr größter Wunsch: „Ein Dach über dem Kopf! Das ist doch nicht zu viel verlangt, so der Junge, ich bin doch ein Mensch“.

M.A ist 17 Jahre alt, seit 5 Monaten in der EAST Traiskirchen und davor war er einige Zeit in der EAST Thalham. Der Somalier bedauert, dass er keinen Zugang zu einem Deutschkurs hat, obwohl er schon 7 Monate in Österreich ist. Er geht deshalb ins Internet-Cafe um sich über Google Englisch-Deutsch Übersetzungen einzuprägen; leider übt niemand mit ihm Deutsch.

A. B. aus Afghanistan ist mit ihrer 6-jährigen Tochter am Weg zur Ordination. Ihr Mann wurde vor zwei Wochen ins Krankenhaus Baden eingeliefert, sie wisse jedoch nicht, wie es ihm geht. Frau A. spricht nur arabisch, der junge Mann am Schalter erklärt, dass sie sich auf Deutsch oder Englisch verständigen müsse, weil man sie sonst nicht verstehe. Einen Dolmetscher gibt es auf der gesamten medizinischen Abteilung nicht. Mit Hilfe der Kommission konnte Frau A. in Erfahrung bringen, dass ihr Mann in LKH Grimmenstein an TBC behandelt werde.

A.M. – 15 Jahre – berichtet, dass er im Mai einen Deutschkurs besuchen konnte, seither gibt es kein Angebot und auch keine organisierten sportlichen Betätigungsmöglichkeiten. Ihm wurde vor Kurzem alles was er besaß gestohlen. Das komme hier leider öfter vor.

H.A. erzählte der Kommission, dass er staatenlos sei und einmal pro Woche für drei Stunden in ein Hotelzimmer gehe, um dort mit seinem 9-jährigen Sohn duschen und sich ausruhen zu können. Dies sei aufgrund der katastrophalen sanitären Bedingungen erforderlich. Nächtigen dürfe er dort aber nicht, er müsse um 22 Uhr zurück sein, wurde ihm gesagt.

G. K. ist 23 Jahre alt und im fünften Monat schwanger. Sie kam erst am Vortag nach Traiskirchen und hat die Nacht mit ihrem Mann und ihrer 4-jährigen Tochter draußen verbringen müssen. Nach der Ankunft haben sie alle etwas zu essen, aber kein Wasser bekommen. Die Orientierung in der EAST fällt den Neuankömmlingen schwer. Mit Hilfe der Kommission kann eine medizinische Untersuchung der Schwangeren vereinbart werden, dennoch muss die Familie weiterhin unter freiem Himmel nächtigen.

Haus 8 (Frauen und UMF-Haus, wo sich am Besuchstag 63 UMF befanden): Die 16jährige G berichtet, dass sie mit 5 Frauen (eine davon hochschwanger) und 2 Kindern in einem Zimmer lebe und seit 3 Monaten hier zu sein. Nichts kann man versperren, alles werde gestohlen. Wer einen Arzt braucht, muss stundenlang warten.

Die Kommission muss feststellen, dass Privatsphäre kaum vorhanden ist. Ein 63m² großer Raum ist bspw. mit 22 Menschen (8 Familien) belegt. Es gibt keine Trennwände, das Abhängen von einzelnen Betten mit Leintüchern ist verboten. Auch im Außenbereich ist das Aufstellen von Zelten oder Sichtschutz nicht erlaubt. Ein Security meinte zu einem Flüchtling: „Das ist nicht gern gesehen und macht einen schlechten Eindruck auf Passanten.“

Zusammenfassend hielt die Kommission 6 fest, dass in der EAST Traiskirchen tausende junge Menschen teils monatelang ohne adäquate Betreuung, Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeit verharren müssen. Die angebotenen (sozial-)pädagogischen, therapeutischen, juristischen und medizinischen Maßnahmen entsprechen, soweit überhaupt vorhanden, nicht den Richtlinien über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender Minderjähriger des UNHCR (1997). Das Lager ist katastrophal überfüllt. Auch wenn das Personal großteils bemüht ist, kann es den Bedürfnissen der tausenden Untergebrachten nicht gerecht werden.

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Ein Kommentar

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